Moria steht in Flammen! Und wieder heißt es: Wir haben Platz!
Ein Gastbeitrag von Solidarity City/Seebrücke Aschaffenburg.
Erneut überschlagen sich die Ereignisse in Griechenland.
Vergangenen Montag beteiligten wir uns an den bundesweiten Protesten der Seebrücke für die Evakuierung der Menschen, da wenige Tage zuvor der erste bestätigte Corona-Fall von Hilfsorganisationen im hoffnungslos überfüllten Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos gemeldet wurde. Bis Montag waren es bereits über 30 Infizierte, wobei nur knapp 2000 Menschen überhaupt getestet wurden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich aufgrund der katastrophalen Bedinungen im Flüchtlingslager bereits weit mehr Menschen infiziert haben.
Die Seebrücke rief zu bundesweiten Aktionstagen auf, um zu fordern, dass die Menschen unbedingt evakuiert werden müssen. Dieser Aufforderung ist Solidarity City/Seebrücke Aschaffenburg gefolgt und hat sich mit leeren Stühlen und Transparenten symbolisch auf dem Schlossplatz versammelt. Zahlreiche Städte und Kommunen haben immer wieder die Bereitschaft geäußert, Menschen aufzunehmen. Auch die Stadt Aschaffenburg hat in einem Stadtratsbeschluss am 13.07.20 ihre Bereitschaft erneut bekräftigt, Menschen zusätzlich aufzunehmen.
Die ultimative Katastrophe – Moria in Flammen
Wenige Tage nach den ersten bestätigten Covid-19 Fällen kommt es zur ultimativen Katastrophe: Feuer in Moria. Das Camp brennt über Nacht nieder. Die Feuer sind gelöscht, aber die Flammen haben fast das komplette Lager und das wenige Hab und Gut der dort lebenden Menschen zerstört.
Ob Brandstiftung oder Unfall: Die Ursache der Brände ist nach wie vor unklar. Mittlerweile gibt es Gerüchte, dass Bewohner*innen des Camps selbst die Feuer gelegt hätten aus Panik, dass die Pandemie sich innerhalb weniger Tage im ganzen Camp ausbreitet. Andere Berichte sprechen von Brandstiftung durch Inselbewohner*innen.
In den Medien wird von Angriffen und Tränengaseinsätzen der Polizei gegen die Camp-Bewohner*innen berichtet, außerdem von Schüssen. Die Einwohner*innen der Dörfer hinderten die vor dem Feuer Flüchtenden daran ihre Dörfer zu betreten. Aktuell werden die Menschen auf einem Autobahnabschnitt festgehalten, irren über die Insel und haben wieder einmal alles verloren.
Heute wird erneut von Feuern berichtet, die gestern am Abend ausgebrochen sein sollen. Eine Rückkehr ins Camp ist nicht mehr möglich. Die Polizei hindert Hilfsorganisationen daran, die Schutzsuchenden mit Wasser und Nahrungsmitteln zu versorgen.
Österreich und die Niederlande haben sich bereits gegen die Aufnahme der Schutzsuchenden ausgesprochen, um keine „falschen Signale auszuschicken“.
Der österreichische Außenminister Schallenberg spricht davon, dass man die Tür nach Europa keinen Spalt breit öffnen dürfe, da sich sonst immer mehr Menschen auf den Weg machen würden. Es helfe nicht, bei jedem Zwischenfall oder einer Notlage nach Verteilung zu rufen. Man könnte meinen, dass man sich mittlerweile an solche Aussagen gewöhnt hat, aber es ist nach wie vor aufs Neue schockierend, wie unmenschlich Politiker*innen sein können. Wer diese Katastrophe als „Zwischenfall“ bezeichnet, sollte nicht als Stellvertreter*in für die Bevölkerung agieren dürfen.
Innenminister Seehofer sieht ebenfalls keinen Grund, die bisherige Rechtsordnung in Frage zu stellen. Merkel und Macron sprechen davon 400 Minderjährigen aus Moria aufzunehmen. 400 von knapp 13000…
Eine europäische Lösung ist also nicht in Sicht
In mehr als 40 Städten waren am Mittwoch Tausende spontan auf den Straßen, um sich für die Aufnahme der Menschen einzusetzen. Auch in Aschaffenburg gab es anlässlich der Brände diese Woche eine zweite Kundgebung. Knapp 60 Menschen haben sich gestern vor der Stadthalle versammelt und mit Schildern, Transparenten und Redebeiträgen ihren Unmut über die Situation in Griechenland und die Abwehrhaltung der EU und der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht.
Ein Sprecher der Interventionistischen Linken Aschaffenburg brachte unsere Verzweiflung und Wut auf den Punkt: „Moria brennt und unsere Wut genauso! Gestern haben wir noch Stühle gestellt, heute ist uns eher nach schmeißen zumute!“
Moria muss nicht erst seit gestern evakuiert werden. Die Lager auf den griechischen Inseln sind nicht seit gestern überfüllt. Die Lage ist nicht seit gestern katastrophal. Und wir haben nicht seit gestern Platz, die Menschen aufzunehmen. Moria ist eine humanitäre Katastrophe. Moria ist eine politische Katastrophe.
174 Kommunen haben sich zum Sicheren Hafen erklärt und ihre Aufnahmebereitschaft signalisiert. Doch was ist dieser Titel wert, angesichts der Flammen in Moria. Angesichts Zehntausender, die letzte Nacht sogar die Hölle als Obdach verloren haben.
Wir fordern die sofortige Evakuierung aller Menschen aus Moria und die Schließung aller Lager. Wir fordern eine dezentrale humanitäre Unterbringung von Schutzsuchenden. Den Menschen muss sofort geholfen werden. Das Innenministerium muss die Blockade der Aufnahmebereitschaft der Länder und Städte aufgeben. Auf eine europäische Lösung zu warten ist verantwortungslos.
Genauso muss auch die Stadt Aschaffenburg sich aktiver und enagierter für die Aufnahme von Geflüchteten einsetzen. Bisher wurden mehr als zwei Dutzend Hilfsorganisationen vor Ort angeschrieben, um nachzufragen, welche Hilfen möglich wären. Dieses Angebot ist angesichts der Tatsache, dass die Menschen mittlerweile nicht einmal mehr ein Zelt als Dach über dem Kopf und selbst ihren wenigen Besitz verloren haben völlig überholt. Es gilt offensiv Druck auf die Bundesregierung auszuüben, um die Entscheidung gegen eine Aufnahme zu kippen und möglichst viele Menschen aufzunehmen.
Es ist fünf nach zwölf und höchste Zeit zum Handeln – bevor es endgültig zu spät ist.
Wir geben nicht auf bis die Menschen evakuiert werden. Und wir geben uns nicht mit 400 zufrieden. Wir lassen niemanden zurück!
Solidarity City/Seebrücke Aschaffenburg.