Kritik an Privatisierung kann nicht harsch genug ausfallen

Reinhard Frankl, u.a. Mitglied bei Attac Aschaffenburg-Miltenberg, hat uns anlässlich der Auslagerungen am Klinikum und des aktuellen Aufregers folgenden Gastartikel zugesandt.


„Stell dir vor – das Klinikum wollte anbauen und die Angestellten sollten das mit Lohneinbußen bezahlen!“ Nein, das Publikum vor einer Woche auf dem Aschaffenburger Marktplatz wollte sich ein solche vom ver.di Gewerkschaftssekretär rhetorisch als empörende Fiktion dargestellte Situation nicht vorstellen. Aber sie war und ist gar keine Fiktion. Das wurde schon im Main-Echo-Bericht über die Stadtrats-Diskussion zur Auslagerung der Wäscherei vom 16.09. deutlich. Demnach verwies Alt-OB Herzog „auf den notwendigen Neubau der Kinderklinik: Hier lasse sich das gesparte Geld gut anlegen.“ Heute am 29.09. lesen wir, dass es natürlich – wie von den KI-Stadträten befürchtet, weil bei jeder Auslagerung so üblich – darum geht, die freigesetzten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für geringeren Lohn neu einzustellen (fire and hire). Und Neubauten am Klinikum sind definitiv auch angekündigt. Also: Umstrukturierung auf Kosten der Löhne. Knallhart. In der Stadtratssitzung und in Kommentaren hat man sich an Stil und Ton der Kritik abgearbeitet statt auf die zugrunde liegenden Fakten der Argumentation einzugehen.

Wie ist es um die derzeit gefeierte Unabhängigkeit der regionalen Monopol-Tageszeitung bestellt, wenn es um Kritik an der städtischen Administration geht? Die Framing- und Kommentar-Reflexe ihres Stadtrats-Chronisten schlagen regelmäßig pro Stadtverwaltung aus. Demnach wären also Kritik an den Schritten hin zu weiterer Privatisierung arrogant, Holzhammer-mäßig, und klar – populistisch. Die Kritik an Privatisierung kann aber nicht harsch genug ausfallen, wie im Bericht „Wirbel wegen Umstrukturierung im Klinikum“ (Main-Echo, 30.09.2020) bestätigt: Das Ausgliedern von Teilen des Klinikums geschieht unter rein wirtschaftsliberalen, betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten.

In den 90er Jahren zog bekanntlich die „Neue Steuerung“ mit betriebswirtschaftlich ausgerichtetem Umbau in die öffentlichen Verwaltungen ein. Übrigens initiiert und vorangetrieben von Seiten der grünen Partei. Von linker Seite wie z. B. der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, auch von der einen oder anderen Gewerkschaft, gab es von Anfang an harsche Kritik am neoliberalen Kurs. Wirtschaftswissenschaftler wie Prof. Dr. Huffschmidt (Herausgeber: Die Privatisierung der Welt: Hintergründe, Folgen, Gegenstrategien) wiesen darauf hin, dass schon die Änderung der Rechtsform öffentlicher Betriebe in (g)GmbHs ein erster Schritt der Privatisierung ist. Privare (lat.) heißt bekanntlich rauben, dem öffentlichen Zugriff entziehen. Solche Kritik wurde damals schon von interessierter Seite gerne als „populistisch“ vom Tisch gewischt. Was heißt hier „populistisch“? Es geht um die Interessen der abhängig Beschäftigten. Punkt.

Im Zuge der (Teil-)Privatisierung auch des Aschaffenburger Klinikums wird z. B. der ganzheitliche Charakter eines kommunalen Versorgungssystems wie z. B. ein Klinik-Organismus glatt übergangen, die öffentliche Kontrolle hinter wettbewerbsrechtlichen Schranken verwiesen, die bei Änderung der Rechtsform entstehen. Alles in Allem ein Beispiel skrupellosen Ausverkaufs öffentlicher Einrichtungen.

Da vom „Holzhammer“ die Rede war: Der Ober-Hammer bleibt doch das Festhalten der Stadtoberen an den neoliberalen Instrumenten wie Outsourcing, Umstellung öffentlicher Verwaltung auf Kosten- und Leistungsrechung bzw. Input-Output-Fixierung, Öffnung der Daseinsvorsorge für den privaten Markt (Grundstücksverkäufe, Stadt-Marketing, Umwandlung der Rechtsform öffentlicher Betriebe im ÖPNV- und Energie-Bereich etc.). Das soll in der Tat nichts anderes bewirken als Kostenersparnis mit Hilfe von Dumping-Löhnen und Verkauf öffentlichen Eigentums. Wie teuer eine solche „Kostenersparnis“ durch Outsourcing sein kann, haben z. B. die Offenbacher erfahren mit dem Verkauf der Bewirtschaftung ihrer Schulgebäude. 2019 wurde der PPP-Vertrag beendet mit der Aussicht, „dass zukünftig weniger Kosten für Strom, Gas, Wasser und Personal anfallen werden – alles in allem eine Einsparung von 5,1 Millionen Euro jährlich.“

Attac Aschaffenburg bleibt dabei: Die Welt ist keine Ware! Öffentliche Versorgung muss zurück in die öffentliche Hand, und zwar nicht nach betriebswirtschaftlichem Prinzip sondern steuerfinanziert und nach den Erfordernissen der öffentlichen Bedürfnisse. Das nennt man solidarische Daseinsvorsorge. Wohlgemerkt, es geht nicht darum, nach keynesianischer Manier einfach nur Milliadenkredite aufzunehmen und sich bis zum Sankt-Nimmerleinstag unter die Knute des Schuldendienstes für Gläubiger-Banken zu stellen. Nein, es geht um echte Steuerfinanzierung. Das ist noch lange nicht revolutionär und wäre „nur“ ein kurzfristiger Schritt zur Verbesserung der breiten Lebenslagen. Die oft verbreitete Meinung, dass es „den Leuten“ schlecht gehen muss, um sich für politische Ziele zu mobilisieren, kann aus den Erfahrungen der Sechziger-, Siebziger- und Achzigerjahre nicht bestätigt werden. Wer jetzt reflexartig die Frage stellt, in welche Tasche zu greifen sei bei derzeit rückläufigen oder stagnierenden Reallöhnen, der sei an den Ausspruch des ehemaligen Bundesministers und späteren Attac-Promi Heiner Geißler (CDU!) erinnert: „Wir haben auf der Erde Geld wie Dreck. Es haben nur die falschen Leute.“

Reinhard Frankl

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