Krieg ist keine Lösung

Am 5.3.2022 hatte das Bündnis Attac Aschaffenburg – Miltenberg und die Kommunale Initiative um „5 vor 12“ eine Kundgebung anlässlich des russischen Angriffskrieges in der Ukraine auf dem Theaterplatz in Aschaffenburg organisiert. Rund 450 Teilnehmer*innen waren dem Aufruf „Die Waffen nieder – Krieg ist keine Lösung!“ gefolgt.
Wir veröffentlichen den Redebeitrag der IL Aschaffenburg:


Wir verurteilen jeden Krieg und sind solidarisch mit den Menschen in der Ukraine, mit denen, die in Russland gegen den Angriffskrieg und die Regierung demonstrieren und allen Menschen auf der Welt, die unter Krieg leiden oder auf der Flucht sind.

Es gibt so vieles zu dem man heute etwas sagen muss:

Die irrwitzige Summe von 100 Milliarden Euro, die über Nacht für die Bundeswehr trotz heiliger Schuldenbremse zur Verfügung gestellt wird und der wir als Antimilitarist*innen niemals zustimmen können. Dass die Bundeswehr kaputtgespart wurde, ist eine jahrzehntelang von Interessengruppen geschürte Legende. Deutschland hat bereits heute einen der höchsten Wehretats der Welt und wird jetzt vermutlich weltweit von Platz 7 auf Platz 3 oder 4 der Staaten mit den höchsten Verteidigungsetats vorrücken.  Und machen wir uns nichts vor: Dieses Geld wird man versuchen an anderer Stelle wieder einzusparen – allen voran natürlich wieder im Sozial-, Kultur-, Gesundheits- und Bildungssektor, wo es sozial Benachteiligte wieder am härtesten treffen wird, wie auch jetzt schon durch steigende Energiepreise. Denn eine höhere Besteuerung des Kapitals oder der Reichen soll es mit dieser ach so „progressiven“ Koalition ja nicht geben. Unfassbar viel Geld, welches wir für den Kampf gegen die Klimakrise dringend brauchen, aber dort nicht zur Verfügung gestellt wird und schon gar nicht über Nacht, obwohl jedes Jahr weltweit mehr als 300.000 Menschen an den Folgen der Klimakatastrophe sterben oder über sieben Millionen an den Folgen der Luftverschmutzung.

An anderer Stelle klingeln dafür die Kassen – nämlich bei der Rüstungsindustrie, deren Auftragsbücher nun wohl über Jahre hinaus prall gefüllt sein werden. Somit können uns der Kapitalismus und das Patriarchat den damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung dann auch gleich wieder als Erfolg verkaufen, um ihre Herrschaft zu festigen. Dabei sollte doch mittlerweile endlich klar sein, dass mehr Waffen noch nie mehr Frieden gebracht haben. Deutschland muss endlich aufhören direkt oder durch schmutzige Umwege weiter die ganze Welt und damit auch andere Despoten in der Türkei, Saudi-Arabien und und und mit Waffen zu beliefern. Ebenso klar ist, dass man damit eine Mitverantwortung für immer noch mehr Leid und Tote trägt.

Die neue Solidarität, zum Teil auch Wohlfühl-Solidarität, passt da nur wenig dazu, auch dass man jahrelang Geschäfte mit dem russischen Regime gemacht hat trotz der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und immer schlimmer werdenden Menschenrechtsverletzungen. Es werden auch weiterhin schmutzige Geschäfte gemacht – Stichwort China und der Völkermord an den Uiguren. Der Kapitalismus und das Patriarchat gehen eben weiter als universelle Menschenrechte und für Geschäfte macht man sich dafür sogar abhängig von Verbrechern, weswegen wir uns nun mit Sanktionen schwertun. Schlimmer noch: wir finanzieren diese Gräueltaten auch noch, indem beispielsweise Russland an einem einzigen Tag 600 Millionen Euro aus Staaten der EU für Gas überwiesen bekommt – ein Großteil davon aus Deutschland. Jetzt feiert man Werte, die man seit Jahren zusammen mit Geflüchteten im Mittelmeer ertrinken lies und weiterhin lässt.

Überraschend und natürlich begrüßenswert, dass Europa Solidarität neu entdeckt, allen voran auch in Ländern wie Polen oder Ungarn, in denen es mit Menschenrechten auch immer weiter bergab ging. Trotzdem wird aktuell von Rassismus an den Grenzen berichtet – die weiße ukrainische Bevölkerung wird ohne Überprüfung durchgelassen, aber Menschen mit vermeintlich nicht europäischer Herkunft müssen stundenlang warten. In deutschen Medien wird ebenso menschenverachtend zwischen guten und schlechten Geflüchteten unterschieden: Die Menschen aus der Ukraine seien im positiven Sinne „anders“. Sie seien hellhäutig oder weiß, christlich, „aus unserem Kulturkreis“ und deshalb „zivilisierter“ als jene, die in den vergangenen Jahren gen Europa gezogen sind, sprich, Menschen aus Afghanistan, Syrien oder afrikanischen Ländern.

Diskussionsrunden, in denen fast ausschließlich privilegierte alte weiße Männer zusammensitzen und uns mit ihrer angeblichen Weisheit die Welt erklären. Alte weiße Männer, wie der als „verrückt“ betitelte Putin. Er ist keine verrückte Einzelperson, sondern der Protagonist einer reaktionären, nationalistischen und autoritären Fraktion, die absolut alles für ihre Macht tut. Auch deshalb ist er der Held deutscher Nazis und weiter Teile der AfD.

Ja, es gibt so viel zu sagen – gerade in diesen Tagen, an denen das Weghören schwerer als sonst fällt. Deswegen wollen wir auch denen noch eine Stimme gebe, die keine haben dürfen:

Aus einer Erklärung von russischen Genoss*innen der Gruppe Socialisticheskaja Alternativa:

„Es handelt sich um einen Angriffskrieg, mit dem imperiale Ziele verfolgt werden: die Strangulierung des ukrainischen Volkes und die Neuaufteilung der Einflusssphären in Osteuropa.

Wir bekunden unsere Solidarität mit der ukrainischen Arbeiter*innenklasse und allen Unterdrückten im Kampf gegen den russischen Imperialismus. Wir fordern ein sofortiges Ende dieses Krieges.“

„Wir müssen eine Anti-Kriegs-Bewegung von unten aufbauen, die in den Betrieben und Universitäten verankert und in der Lage ist, durch Streiks und Massenproteste ein Ende des Krieges und die Rückkehr der Truppen nach Hause durchzusetzen. Sprecht mit allen in eurem Umfeld – Familie, Freund*innen, Kolleg*innen, Kommiliton*innen – darüber, dass der Krieg beendet werden muss; dass Solidarität mit den Ukrainer*innen, die unter Putins militärischer Aggression leiden, notwendig ist. Geht alleine oder gemeinsam mit solidarischen Menschen auf die Straße, um Plakate aufzuhängen und Anti-Kriegs-Flugblätter zu verteilen. Es ist äußerst wichtig, die Haltung gegen den Krieg sichtbar zu machen: Viele Menschen wollen keinen Krieg, aber Putins Propaganda versucht, sie davon zu überzeugen, dass er unvermeidlich ist. Daher ist es wichtig, Antikriegspropaganda auf allen möglichen Wegen in der Öffentlichkeit zu betreiben, nicht nur im Internet.“

Mit Blick auf die repressiven Bedingungen unter welchen diese Forderungen veröffentlicht werden, sollten wir uns die Frage stellen: Müssen nicht auch wir aktiver werden?!

Kategorien von möglich und unmöglich waren und sind nicht hilfreich. Die Frage, die wir uns alle und jetzt angesichts der faktischen Nationalen-, Welt- und Klimalage stellen müssen ist: Was ist notwendig? – Und was notwendig ist, ist möglich! Die Krisen sind längst hier – die Frage ist: Wo sind die dazugehörigen Maßnahmen und Folgen? Es muss endlich klar werden: die vorgegebenen Denkverbote des Kapitalismus und Patriarchats dürfen nicht mehr weiter gelten, denn auch hier muss erkannt werden, dass es für alles, wirklich alles, einen Preis gibt und deshalb müssen sie auch überwunden werden. Denn, was heißt überhaupt Solidarität? Solidarität heißt auch selbst Einschränkungen hinzunehmen. Solidarität ist im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlos. Befreien wir uns von diesen ewig gestrigen Strukturen und finden gemeinsam neue Antworten.


Quellen, Impulse und weiterführende Infos für unseren Redebeitrag:

https://uebermedien.de/69002/von-kriegsopfern-erster-und-zweiter-klasse/?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

https://taz.de/Europas-Fluechtlingspolitik/!5835227/

https://www.akweb.de/bewegung/nein-zum-krieg-linke-stimmen-aus-russland-und-der-ukraine/

https://www.fr.de/politik/ukraine-krieg-bundeswehr-aufruestung-interview-jutta-ditfurth-news-91380249.html

Ukrainische NGOs fordern Stopp von russischen Energieexporten

https://www.zeit.de/online/2009/23/klimawandel-tote-studie

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